Nena bedankt sich bei "Kassel" – Shitstorm droht 99 Luftballons vom Himmel zu holen
Sie gilt als die Mainstream-Ikone der Neuen Deutschen Welle, die Anfang der Achtzigerjahre begann: Gabriele Susanne Kerner, viel besser bekannt als Nena. Der sogenannte "Kalte Krieg" trat damals in seine offiziell letzte Phase ein. Aufgrund des NATO-Doppelbeschlusses begann 1983 in Deutschland dann doch die Stationierung von atomaren Pershing-II-Mittelstreckenraketen. Aber massiver, breiter Widerstand gegen das atomare Säbelrasseln formierte sich.
1983 war dann auch das Jahr, in dem Nena mit "99 Luftballons" ihren wohl größten Hit landete. So heißt es in dem Lied:
"Neunundneunzig Luftballons
Auf ihrem Weg zum Horizont
Hielt man für Ufos aus dem All
Darum schickte ein General
'Ne Fliegerstaffel hinterher
Alarm zu geben, wenn's so wär'
Dabei war'n dort am HorizontNur neunundneunzig Luftballons"
Damals wurde die von einer breiten Masse zum Ausdruck gebrachte Furcht vor einer wenig konstruktiven Paranoia der herrschenden Politiker und Medien von vielen nicht geteilt. Die entstandene Friedensbewegung galt als Sammelbecken von Schwurblern, Alternativen, ewiggestrigen Pazifisten und Öko-Spinnern. Nicht ohne Grund verschwand sie nach der Stationierung genauso schnell wieder, wie sie entstanden war.
Hast du etwas Zeit für mich, dann schwurbele ich ein Lied für dich - Das war es dann wohl mit 99 Luftballons: #Nena bedankt sich für die #Querdenken-Demo in #Kassel und unterlegt das mit Musik von Xavier Naidoo ... pic.twitter.com/A2BmmjE6xn
— David Janzen (@dokurechts) March 23, 2021
Frei interpretiert und auf die aktuelle Situation übertragen, ließe sich argumentieren, dass sich die deutsche Pop-Sängerin treu geblieben ist. Heute ist es die ausgerufene COVID-19-Pandemie, die demzufolge zu zweifelhaften und unverhältnismäßigen Reaktionen führt. Vermeintlich defensive Reaktionen, die sich in der Praxis als weit gefährlicher erweisen könnten als das mutmaßliche Problem, das man zu bekämpfen vorgibt.
Am Samstag versammelten sich in Kassel mehr als 20.000 Menschen, um gegen die Corona-Politik der Bundesregierung zu protestieren. Lieber wurde jedoch über ein "Konsortium aus selbsternannten Querdenkern, Verschwörungsideologen, Corona-Leugnern und Kritikern der Corona-Maßnahmen" berichtet. Anschließend widmete man sich quasi unisono vor allem den angeblichen "Angriffen auf Polizisten und Journalisten" – auch wenn Bilder "massiver Auseinandersetzungen" medial absolute Mangelware blieben.
Zwei Tage später positionierte sich nun auch Nena zu "Kassel". Und zwar mit einer Instagram-Meldung, die sich als "als eindeutige Solidarisierung mit den Demonstranten deuten lässt".
"Danke Kassel": Mit diesen Worten ist ein Video auf dem Instagram-Kanal der Pop-Sängerin überschrieben. Der Clip zeigt im Zeitraffer eine demonstrierende Menge und ist mit einem weißen Herz und dem Datum der Demonstration ("20.03.2021") versehen.
Auch #Nena darf eine eigene Meinung haben.....nur bitte nicht singen.
— Harald Schmidts Schreibtisch (@haraldschmidttv) March 24, 2021
Doch damit nicht genug. Die heute 60-Jährige unterlegte das Video mit einem Song eines Freundes: dem schon längst als "Verschwörungstheoretiker" mit mutmaßlich homophober, rassistischer und antisemitischer Gesinnung geächteten Pop-Barden Xavier Naidoo. Der Sänger aus Mannheim hat zudem einen neuen Song aufgenommen, in dem er sich gegen die Corona-Politik wendet.
Auch Nena gilt somit als nun endgültig an die Querdenker und Schwurbler verloren und wird prompt mit einem Attila Hildmann und Michael Wendler in eine Schublade gesteckt. Der Shitstorm der "Vernünftigen" ist vorprogrammiert und ergießt sich seitdem auch auf dem Kurznachrichtendienst Twitter über die Sängerin.
Jetzt outet sich die Sängerin #Nena wohl offiziell als Unterstützerin der extremistischen #Querdenker - und bedankt sich bei Reichsbürger und Verschwörungshetzer #Naidoo. https://t.co/eoEdtRxXwD#Kassel
— Volksverpetzer (@Volksverpetzer) March 24, 2021
Endgültig, denn bis jetzt, so das RedaktionsNetzwerk Deutschland, habe sich Nena noch zurückgehalten und "raunte ihren Fans" stattdessen lediglich "kryptische Botschaften zur Corona-Pandemie zu". Was war geschehen? Kurz vor Veröffentlichung eines neuen Albums hatte die Sängerin am 14. Oktober 2020 ebenfalls auf Instagram folgende "dubiosen" Andeutungen gemacht:
"Ich habe meinen tiefen Glauben an Gott. Daher kommt mein Vertrauen ins Leben. Und ich habe meinen gesunden Menschenverstand, der die Informationen und die Panikmache, die von außen auf uns einströmen, in alle Einzelteile zerlegt. Und so ist es mir möglich, mich nicht hypnotisiert von Angst in die Dunkelheit ziehen zu lassen."
Bereits Anfang Februar eckte Nena massiv an. Bei künftigen Konzerten wolle sie Menschen, die gegen SARS-CoV-2 geimpft sind, nicht bevorzugen. Auf Instagram schrieb sie:
"Ihr Lieben, auf meinen Konzerten wird es auch weiterhin keine Zweiklassengesellschaft geben. Ihr seid immer alle willkommen!"
Ob man sich impfen lasse oder nicht, sei die eigene Entscheidung eines jeden Einzelnen, die von jedem respektiert werden müsse.
#Seehofer will, dass Ostergottesdienste stattfinden.Nena hat ihm bereits in ihrer Story ein „Danke Seehofer!“ gesendet.
— ZDF heute-show (@heuteshow) March 24, 2021
Zuvor hatte der große Ticketvermarkter CTS Eventim dafür plädiert, dass private Veranstalter in Zukunft die Möglichkeit haben sollten, nur noch geimpfte Menschen für Veranstaltungen zuzulassen. Das Unternehmen habe bereits seine Systeme so eingerichtet, dass diese auch Impfausweise lesen könnten.
Es kann nur darüber spekuliert werden, was Nena durch den Kopf gegangen sein mag, als sich die grüne Co-Vorsitzende Annalena Baerbock einen ihrer Songs vorknöpfte. Mitte Februar hatte Baerbock beim politischen Aschermittwoch einen Vergleich zwischen einem Nena-Hit der 1980er-Jahre und der Pandemie-Politik der Bundesregierung gezogen.
"Und auch wenn ich als Kind der 80er zugebe, dass ich ein riesengroßer Nena-Fan war und auch immer noch bin: Dieses Handeln nach dem Motto 'Irgendwo, irgendwie, irgendwann', das ist die falsche Platte."
Die Grünen-Chefin hatte damit vermutlich ihre Kritik an der Impfpolitik der Bundesregierung zum Ausdruck bringen wollen.
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